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Weihnachtsgeschäft im Frühling - Stars der Logistik (DVZ-Artikel)

Veröffentlichungsdatum: 25 März 2021
Wertschätzung für Zustellfahrer
Wertschätzung für Zustellfahrer

Paketzusteller erfahren seit Beginn der Coronapandemie mehr Wertschätzung, und sie erleben einen ganz anderen Kundenkontakt. Denn viele Empfänger sind plötzlich zu Hause.

Von Nicole de Jong

Mit dem ersten Shutdown in Deutschland wurden sie gefeiert. Paketzusteller galten als Helden des Alltags und systemrelevant. Die Wertschätzung ihnen gegenüber hat durch die Coronapandemie zugenommen – ebenso die Menge der Sendungen.

Mehr Waren mit Paketen zu versenden ist keineswegs nur ein kurzlebiger Trend. Das hat eine Onlinebefragung des KEP-Dienstleisters Hermes im vergangenen Sommer ergeben. Demnach haben 10 Prozent der Deutschen das Onlinebestellen ganz neu für sich entdeckt, und fast jeder Zweite bestellt häufiger als vor dem Ausbruch von Corona. „Während des ersten Shutdowns im Frühjahr 2020 verzeichneten wir sprunghafte Sendungsanstiege von bis zu 40 Prozent innerhalb weniger Wochen“, sagt ein Hermes-precher zur DVZ. Weihnachtsniveau schon im Frühjahr.

Auch als Geschäfte wieder öffnen durften, blieben die Sendungsmengen auf einem hohen Niveau. Mit dem zweiten Shutdown hat sich daran erst recht nichts geändert. „Normalerweise geht ab Mitte Januar bis zum Frühjahr das Sendungsvolumen zurück. Wir verzeichnen aber weiterhin ein erhöhtes Paketaufkommen sagt der Hermes-Sprecher. Dies zeige exemplarisch der Blick auf die vierte Kalenderwoche 2021 – die Menge der Ausgangssendungen habe um circa 30 Prozent über der des Vorjahreszeitraums gelegen. Insgesamt sei das aktuelle Paketaufkommen allein bei Hermes im Verhältnis zu einer Nicht-Shutdown-Situation um rund 20 bis 25 Prozent im gesamten Bundesgebiet gewachsen.

Geschenke als Motivationshilfe

„Am Anfang haben sich die Leute oft bei mir bedankt, dass wir weiter im Einsatz sind“, sagt beispielsweise Erald Kumrija, Paketzusteller bei Hermes in Hamburg. „Es schien, als hätten sie verstanden, dass wir die Gesellschaft am Laufen halten“, fügt er hinzu. Er erinnert sich auch, dass ihm hier und da mal ein, zwei Euro oder Schokolade zugesteckt wurden, damit er durchhält. Inzwischen sei die Euphorie aber etwas abgeflacht.

„Ich habe gemerkt, dass meine Arbeit mehr wertgeschätzt wird“, bestätigt auch Bedran Barcadurmus, Paketzusteller bei GLS in der Düsseldorfer Innenstadt. Kunden seien fürsorglicher und der Kontakt mitunter intensiver geworden. Die Leute würden zunehmend freundlicher, ist seine Wahrnehmung. „Kunden in oberen Stockwerken kommen jetzt immer runter. Ich brauche gar nicht ins Haus rein. Das gab es vor Corona nicht“, sagt Barcadurmus. Und er sei zudem schneller unterwegs, weil sich die Verkehrslage in der Innenstadt immens entspannt habe. „Keiner wird mehr zugeparkt, und es fühlt sich auch keiner mehr angegriffen“, erzählt er. In der zweiten Reihe zu halten, komme praktisch auch nicht mehr vor.

Keiner wird mehr zugeparkt, und es fühlt sich auch keiner mehr angegriffen.
Bedran Barcadurmus, Paketzusteller bei GLS

Außerdem seien viele Paketempfänger plötzlich zu Hause. „Obwohl die Sendungsmenge gestiegen ist, haben wir kaum Probleme, sie loszuwerden“, sagt Olaf Brandenburg, der für den Paketdienst DHL in Flensburg als Zusteller unterwegs ist. „Natürlich mussten wir uns umstellen, da die Zustellung kontaktlos werden sollte“, fügt er hinzu. Aber auch das sei bei allen gut gelungen. „Wenn der Kunde die Sendung annehmen möchte, bestätigen wir in seinem Beisein die Zustellung auf unserem Scanner mit unseren Unterschrift“, erzählt Brandenburg. Bei Hermes lassen die Zusteller den Empfang auf der Sendung unterschreiben und fotografieren anschließend die Unterschrift. „Nicht alle Empfänger denken daran, ihren eigenen Kuli mit rauszubringen. Die meisten holen sich dann einen, andere würden ohne weiteres auch meinen benutzen. Dies entspricht aber nicht unserem vorgegebenen Prozess“, ist die Erfahrung von Hermes-Zusteller Kumrija.

Wasserkanister und Seife an Bord

Keiner der drei befragten Zusteller hat Angst, sich bei seiner täglichen Arbeit zu infizieren. Alle arbeiten inzwischen mit Mund-Nasen-Schutz, um sich und die Kunden zu schützen. Ihre Arbeitgeber würden sie jeweils mit ausreichend Masken und

Desinfektionsmittel ausstatten, und sie haben inzwischen auch einen Wasserkanister und ein Stück Seife mit an Bord, so dass sie sich bei Bedarf auch einfach mal die Hände waschen können. Abstand halten sei sowieso zur Devise geworden. „Auch die meisten Kunden halten bewusst Abstand, kommen häufig mit Maske an die Tür und sind viel entspannter als früher“, sagt GLS-Mann Barcadurmus.

Das Masketragen erschwere allerdings die Kommunikation, und damit zu arbeiten, sei anstrengender. „Im Großen und Ganzen klappt trotz der Hygieneauflagen alles ganz gut“, sagt Brandenburg von DHL. Dennoch sei er, wie auch seine Kollegen, froh, wenn die Pandemie vorbei ist und sie wieder ohne Maske arbeiten können. „Mir fehlt der kleine Klönschnack mit den Kunden – wie man hier im Norden sagt.“ Die Verbraucher loben die Leistung der Paketboten mehr als je zuvor. Das hat auch eine Umfrage des Instituts für Handelsforschung (IFH) Köln Ende vergangenen Jahres ergeben. Demnach sind mittlerweile 90 Prozent mit der Zustellung ihrer letzten Onlinebestellung zufrieden gewesen, im Vorjahr lag der Wert noch bei 74 Prozent. Die meisten der Befragten schätzen die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit ihrer Bestellung. Sie bewerten zudem die Information zum Lieferstatus sowie die Schnelligkeit als äußerst positiv. Und tatsächlich sind den Umfrageergebnissen der IFH-Studie zufolge die Konsumenten mittlerweile toleranter, sollte sich die Zustellung doch mal verzögern. Der Wunsch nach einer möglichst zeitnahen Zustellung ist im Vergleich zu 2019 leicht gesunken. (fh)

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